Verschleppen wir die niedersächsische Energiewende?

Wirtschaft und Waldbesitzer fordern einstimmig Beschleunigung der Genehmigungsverfahren

Wie kann die Energiewende in Niedersachsen gelingen? Antworten und mahnende Worte gaben im Rahmen einer Pressekonferenz die Unternehmerverbände Niedersachsen, der Waldbesitzerverband Niedersachsen e.V., die IGBCE Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, der Windkraftprojektierer Alterric GmbH sowie der LEE Nie-dersachsen|Bremen.

Der Dreiklang der Energiewende? Die Nutzung geeigneter Flächenpotenziale, Wind im Forst und Rechtssicherheit

Die Europäische Union, Bund und Land formulieren ehrgeizige Klimaschutzziele. Doch wenn es an die Umsetzung geht, stoßen niedersächsische Planerinnen und Planer von Windkraftanlagen auf vielfältige Hemmnisse: Fehlendes Flächenpotenzial, der eingeschränkte Zugang zu geeigneten Waldflächen und Regionale Raumordnungspro-gramme, die sich als nicht rechtssicher erweisen, unterlaufen die Energiewende.

Die fehlende Rechtssicherheit führt dazu, dass bereits genehmigte Raumordnungsprogramme im Nachgang per Gerichtsurteil gekippt werden. Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise befürchteten die Teilnehmer der Pressekonferenz zudem eine Verknappung der Energieversorgung und eine nach oben offene Energiepreisspirale.

Niedersachsen zählt sechs Windräder im Wald – von 6.100 Anlagen landesweit

Die Teilnehmenden waren sich einig, dass in Niedersachsen noch längst nicht alle Klima-schutzpotenziale gehoben sind. So zählen Niedersachsens Wälder zurzeit lediglich sechs Windkraftanlagen. Das sind weniger als ein Promille aller niedersächsischen Anlagen. Und das, obwohl 40.000 Hektar Wald stark geschädigt sind und somit Fläche für die Er-richtung von Windenergieanlagen bieten. Der LEE setzt sich seit Längerem für eine behutsame Öffnung der Forsten für Windenergieanlagen ein.

Dazu Philip Freiherr von Oldershausen, Präsident des Waldbesitzerverband Niedersachsen e.V.: „Der Wald ist für die dringend verbindlich zu strukturierende Energiewende unverzichtbar und bietet enormes, bisher ungenutztes Potenzial. Die dezentrale unabhängige Energieversorgung und die Einnahmen aus der Windenergie sind für die Kommunen, für die Waldbesitzenden und vor allem für das Klima ein Gewinn. Daher darf das Land historisch alte Waldstandorte im Landes-Raumordnungsprogramm nicht ausschließen, sondern muss jetzt die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, die den Landkreisen ermöglichen substanziell Waldfläche für die Erzeugung von Windenergie auszuweisen.“


Dekarbonisierung der Wirtschaft erfordert Erneuerbare Energien

Gleichzeitig mehren sich die Stimmen aus der niedersächsischen Wirtschaft, die nach ei-ner ausreichenden, planbaren und bezahlbaren Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen verlangen. Denn die Dekarbonisierung der Produktion kommt einer Herkules-aufgabe gleich, die nur durch eine zügige Energiewende bewältigt werden kann.

Dazu Dr. Volker Müller, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN): „Energie ist aktuell eines der zentralen Themen für die Wirtschaft. Die dramatisch gestiegenen Preise gefährden die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Niedersachsen, für Industrie und Mittelstand, und belasten die privaten Haushalte. Das Ganze wird verschärft durch die Ukraine-Krise.

Die problematische Abhängigkeit von russischem Gas wird überdeutlich. Wir müssen mit Hochdruck die Erneuerbaren Energien in Niedersachsen ausbauen – das nützt dem Klimaschutz, der Versorgungssicherheit und der Unabhängigkeit von Energieimporten. Deshalb brauchen wir schnell mehr Windräder und schlankere Genehmigungsverfahren.“
Petra Adolph, stellv. Leiterin des Landesbezirk Nord der IGBCE Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, erklärte: „Unser Augenmerk liegt naturgemäß in der Siche-rung und dem Ausbau guter und mitbestimmter Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in den Erneuerbaren Energien und den energieintensiven Betrieben.


Vor diesem Hintergrund erwarten wir, dass wesentliche politische Weichenstellungen schnell vorgenommen werden. Die Planungs- und Genehmigungszeiten müssen halbiert werden. Wesentliche Stellschrauben lauten: Fristverkürzung, Rechtsklarheit und Digitalisierung der Verfahren“, so Adolph weiter.

Peter Klug, Leiter Projektentwicklung Deutschland und Mitglied der Geschäftsführung des Grünstromerzeugers Alterric, erklärte zum Windenergie-Ausbau in Niedersachsen: „Wenn wir eine klimaneutrale Zukunft bis 2045 erreichen wollen, müssen wir uns trauen, auch abseits gewohnter Denkmuster zu agieren. Positive Beispiele – etwa für Windenergie im Nutzforst – sowie ein konstruktiver Diskurs mit Gesellschaft und Politik können dazu beitragen“.

Für Silke Weyberg, LEE-Geschäftsführerin, liegt der Schlüssel zu Energiewende in der rechtssicheren Ausweisung von Flächen für Windenergieanlagen, an denen sich die pla-nenden Kommunen orientieren können. „Wir haben Klima- und Ausbauziele für Erneuerbare definiert. Uns fehlen aber die Instrumente, diese zu erreichen. Wir brauchen nachvollziehbare, zügige und rechtssichere Verfahren. Hier muss der Gesetzgeber den Kommunen unbedingt Hilfestellung leisten, um sie in die Lage zu versetzen rechtssicher agieren zu können, in der Raumordnung und bei Genehmigungen.“

PM 03/2022